Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Martin Lindauer ein mit höchsten nationalen und internationalen Ehren ausgezeichneter Kohlgruber
Vom armen Bauernsohn zum weltbekannten Bienenforscher
* 19. 12. 1919 in Bad Kohlgrub/Wäldle - 14 Geschwister!
- Besuch der Volksschule, vom Lehrer und Pfarrer als hochbegabt erkannt
- Freiplatz im Internat des humanistischen Gymnasiums in Landshut
- 1939 zu einer Sonderkompanie eingezogen, da er Hitlerjugend verweigerte
- 1942 vor Stalingrad schwer verwundet, kriegsuntauglich geworden
- 1943 in München Studium der Biologie bei Prof. Dr. Karl von Frisch
- 1948 Promotion über Einwirkungen auf die Tänze der Bienen
- 1950 -1961 Assistent, Dozent, a.o. Professor an der LMU München
- 1963 Professor an der Uni Frankfurt, 1973 bis1987 an der Uni Würzburg
- 1987- 2002 Beratung von Promotionsarbeiten zur Bienenforschung
† 13. 11. 2008 knapp 90 jährig in München
Endeckungen
- In seiner Promotionsarbeit über „Einwirkung von Duft- und Geschmacksstoffen auf die Tänze der Bienen“ fütterte Lindauer Bienen in der Nähe des Beobachtungsstockes mit Zuckerwasser, das jeweils verschiedene Geschmacks bzw. Duftstoffe enthielt. Er kennzeichnete Sammlerinnen individuell mit Farbpunkten, damit er sie nach der Rückkehr in den Stock beobachten konnte. Er fand, dass Sammeleifer und Tanzlust mit der Konzentration des Zuckerwassers steigen, weitgehend unabhängig von Zusatzstoffen. In welcher Konzentration Zuckerwasser angenommen wird, hängt vom Nektarangebot im blühenden Umfeld und von den aktuellen Bedürfnissen des Bienenvolkes ab. Entscheidend für Sammeleifer und Tanzlust einer Sammelbiene ist in erster Linie die Eile mit der Stockbienen ihr das Mitbringsel absaugen. Lindauer staunte, wie einsichtig und wirkungsvoll Einzelbienen zum Wohl des Staates kooperieren.
- Um die Temperatur von rund 35°C im Brutnest des Stockes zu halten erzeugen bestimmte Stockbienen Wärme durch Zittern mit der Brustmuskulatur. Bei Überhitzung tragen Sammelbienen Wasser ein und Fächeln mit den Flügeln zur Kühlung. Lindauer staunte und forschte weiter über die präziseTemperaturregelung im Bienenstock.
- Eine frisch geschlüpfte Biene füttert als Ammenbiene Larven mit Futtersaft aus ihren Speicheldrüsen, später baut sie Waben mit Wachs aus ihren Wachsdrüsen. Nach Orientierungsflügen wird sie Sammelbiene. In einem kleinen Beobachtungsstock kennzeichnete Lindauer frisch geschlüpfte Bienen mit Nummern und beobachtete über Wochen einzelne Individuen, wie sie auf künstliche Veränderungen der Bedürfnisse reagierten. Dabei fand er ein Drittel Müßiggänger, die unabhängig vom Alter mit Tätigkeiten einsprangen, die das Überleben des Völkchens sicherten.
- Bereits 1949 entdeckte er auf Bienenschwärmen im Garten des Zoologischen Instituts im zerbombten München schwänzeltanzende rot oder schwarz bepuderte Spurbienen. Ihre Richtungs- und Entfernungsangaben führten ihn zu Höhlen in Mauerruinen und Kaminrümpfen. Nach intensiven weiteren Studien veröffentlichte er seine Habilitationsarbeit „Schwarmbienen auf Wohnungssuche“. Sie zeigte die Konkurrenz schwänzeltanzender Spurbienen um die Ziele ihrer gefundenen Nisthöhlen. Nach ein bis zwei Tagen einigen sie sich auf das am besten geeignete Quartier und führen den Schwarm dorthin.
- Lindauer konnte nachweisen, dass Jungbienen bei ihren ersten Ausflügen ihre „Innere Uhr“ durch Wahrnehmung von Sonnenauf- und Untergang justieren und innerhalb von 3 Tagen die horizontale Richtung des Sonnenstandes zu jeder Tageszeit lernen und in ihrem Gedächtnis speichern. Es gelang ihm sogar, bei Bienen, die auf einen fernen, bedufteten Futterplatz dressiert waren, im Beobachtungsstock während der Nacht Schwänzeltänze auszulösen. Die Richtungsweisung auf der senkrechten Wabe drehte sich dabei entsprechend der scheinbaren nächtlichen Sonnenwanderung von West nach Ost!
Wenn man verschiedene Futterplätze einrichtet, die jeweils nur kurzzeitig z.B. morgens, mittags oder abends Zuckerwasser bieten, so können Sammelbienen mittels ihres Zeitsinns die Futterorte mit den Futterzeiten verknüpfen und sie nur zu diesen Zeiten besuchen. Das erlaubt Musestunden.
- V. Frisch stellte 1949 fest, dass sich die Bienen auch dann noch nach dem Stand der Sonne als Kompass orientieren können, wenn diese durch eine Wolke oder einen Berg verdeckt war. Voraussetzung dafür war die Sicht auf ein Stück blauen Himmels. Physikern war bekannt, dass blaues Himmelslicht ein ringförmiges Polarisationsmuster um den Sonnenstand aufweist, das wir mit unseren Augen nicht sehen. Mit einer Polarisationsfolie gelang v. Frisch der Nachweis, dass Bienen mit ihren Facettenaugen sich an diesem Muster über den Sonnenstand informieren können. Lindauer mit seinen Schülern und Wissenschaftler in aller Welt erforschten inzwischen Quellen für diese Leistung und ihre Verbreitung im Tierreich. Auch Hummeln, Wildbienen, Heuschrecken und andere Insekten sogar Fledermäuse und Krebse können sich am Polarisationsmuster des blauen Himmels orientieren
- Mittels einer großen Helmholtzspule kann man in ihrem Innenraum das Erdmagnetfeld manipulieren. Damit gelang Lindauer der Nachweis, dass Bienen die horizontale Richtung (Deklination) der magnetischen Feldlinien zur Ausrichtung ihres Wabenbaus nutzen. Ein Bienenschwarm in einem Kartonzylinder als Wohnhöhle baut die Waben in der Richtung, wie sie im Heimatstock hingen. Verändertes Magnetfeld verändert die Baurichtung. Ein stromdurchflossener Draht erzeugt magnetische Feldlinien in konzentrischen Kreisen. Entgegen dem Brauch bauten Bienen eine zylindrische Wabe von unten nach oben.
Mit seinem Blick auf die erstaunlichen Lebensleistungen des Superorganismus „Bienenstaat“ durch zielgerichtete Kooperation der Einzelbienen hat Martin Lindauer soziobiologisches Neuland betreten ebenso wie mit Fragen und Entdeckungen zur Evolution des Bienenstaates aus einfacheren Vorstufen.